Hans-Peter (Homöopathie 5)

Diese Krankengeschichte ist „spektakulär“ und deshalb, auch nach fast 30 Jahren, mir ganz frisch in Erinnerung. Leider gibt es solche Heilungen zumindest bei mir nur sehr selten.

Hans-Peter war ca.12 Jahre und lebte im Heim, weil seine Eltern mit seinem aggressiven Verhalten nicht mehr klargekommen waren. Damals waren viele Kinder aus dem Heim in meiner homöopathischen Behandlung und die Erzieher/innen hatten mitbekommen, dass die Kügelchen oft genauso gut wirkten wie Fiebersäfte und Antibiotika.

Jedenfalls kam ein Betreuer von Hans-Peter auf Anraten meiner Kollegin, die ihn eigentlich in Behandlung hatte, eines Tages in meine Sprechstunde und fragte, ob ich hier homöopathisch „was machen könne“.

Das weiß ich vorher eigentlich nie, aber ich hörte mir die Geschichte an.

Es gab einen aktuellen Anlass, der dazu geführt hatte, dass man erwog, Hans-Peter aus dem Heim zu entfernen. Er hatte unter der Dusche einen anderen Jungen angegriffen und ihn an dessen Penis verletzt. Der Hintergrund war meines Erachtens nicht so sehr sexuell gefärbt, sondern Hans-Peter war wieder mal ausgerastet, weil der andere Junge ihn angeblich geärgert hatte. Da der nun zufällig nackt war, hat er sich das Körperteil gegriffen, das am nächsten war und gleichzeitig auch noch am meisten wehtat. So schilderte es Hans-Peter auch mir und ich fand das im Gegensatz zu den Erziehern durchaus glaubhaft. So nebenbei hatte Hans-Peter auch schon mehrfach gezündelt - also durchaus ein Problemfall.

In einem ausführlichen Anamnese - Gespräch mit ihm allein, fragte ich, wie üblich, alles Mögliche zu körperlichen und seelischen Beschwerden ab. Er war sehr offen und vertraute mir anscheinend.

Als ich ihn dann fragte, warum er denn plötzlich so zornig werde und dabei anderen auch weh tue, gab er eine verblüffende Antwort: „In meinem Kopf ist der Hans, und der sagt: mach das. Und dann ist da noch der Peter, der sagt: mach das nicht! Hans will immer, das ich schlimme Sachen mache und Peter will das nicht. Das habe ich schon, solange ich denken kann.“

Aber vor mir hatte er das niemandem, auch keinem Therapeuten, erzählt.

In der homöopathischen Symptomensammlung (sog. Repertorium) existiert ein ganzes Kapitel über Wahnideen. Darunter gibt es die kuriosesten Dinge, die einem Therapeuten manchmal mehr helfen als stundenlange Befragungen.

Dort gibt es die folgende Rubrik: „Wahnidee, auf einer Schulter sitzt ein Teufel und auf der anderen ein Engel“. Hier steht nur ein einziges Mittel, dass früher (vor den Psychopharmaka) von Homöopathen oft bei bipolaren Störungen („Schizophrenien“) eingesetzt wurde. Das Mittel heißt „Anacardium orientale“– der Same eines Baumes in Ostindien.*

Ich gab Hans - Peter also eine hohe Potenz („nix drin!“) von Anacardium und die Wirkung war unglaublich. Schon nach wenigen Tagen war er wie umgewandelt. Er war plötzlich lieb, fast schon beängstigend lieb.

Einige Tage später bekam er hohes Fieber und heftige Ohrenschmerzen. Am nächsten Tag war das Trommelfell schon geplatzt und es lief Flüssigkeit aus einem Ohr (ich erinnere mich nicht an die Seite, aber es war einseitig). Dieser Ausfluss stank fürchterlich und reizte relativ schnell die gesamte Umgebung des Ohres.

Diesen Hautausschlag nennt man "Impetigo contagiosa". Der wendländische Begrif dafür ist "Schleppscheisse". Ich finde, das passt besser.

Zurück zu Hans- Peter: Schmerzen hatte er zwar keine mehr, aber das Ganze sah furchtbar aus und die Betreuer machten sich große Sorgen. Ich konnte sie überzeugen, abzuwarten und nicht zu einem HNO - Arzt zu gehen. Das Ohr lief mehrere Wochen und der Hautausschlag blieb ebenso lange. Wir übten uns in Geduld, zumal Hans-Peter weiterhin psychisch vollkommen stabil war. Das Ohr und der Ausschlag störten ihn am Wenigsten.

Irgendwann heilte das Trommelfell ab und der Hautausschlag verschwand.

Mit Hans- Peter gab es danach keine Probleme mehr.

Ca. mindestens 10-15 Jahre später trafen wir uns zufällig an der Tankstelle in Jameln. Er erkannte mich und begrüßte mich ganz freundlich. Er erzählte mir voller Stolz, dass er schon lange bei einem Schrotthändler arbeitete, sein eigenes Geld verdiene und eine eigene Wohnung habe. Eine Freundin habe er noch nicht, aber das käme auch noch.

Eine Krankengeschichte, die Schulmediziner unter „Spontanheilung“ abheften. Für mich ist klar, dass Anacardium ihm dabei geholfen hat, den Schrott aus seinem Gehirn dauerhaft zu entfernen.

Undogmatisch betrachtet, kann man das doch so sehen, oder?

Es wäre außerdem ein großer Fehler gewesen, den Hautausschlag oder den Ohrfluß mit z.B. Antibiotika zu unterdrücken. Selbstheilung braucht keine störenden Ärzte.

Nachricht vor ein paar Tagen: unser Gesundheitsminister, der selbst in seinem Arztleben noch nicht allzu viele Patienten behandelt hat, möchte die Homöopathie verbieten.

*Ich selbst habe schwere psychische Störungen niemals homöopathisch zu behandeln versucht. Das wäre nur denkbar mit einer zuverlässigen Rund- um- die- Uhr- Betreuung.

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