Mietmäuler

Sprache ist oft verräterisch. Der Begriff „Mietmäuler“ wird in den Marketingabteilungen der Pharmabranche intern verwendet. Er sagt einiges aus über das Maß an Respekt, das diese gegenüber Ärzten hat.

Mietmäuler sind dennoch wertvolle und begehrte Partner. Sie helfen, wahrscheinlich mehr als Werbung, bei der Gewinnmaximierung. Es sind Ärzte in gehobenen Positionen, z.B. Chefärzte großer Kliniken, die dann die neuen Arzneimittel der „forschenden“ Pharmafirmen auf den heiß umkämpften Markt bringen. Die Firmen forschen natürlich in erster Linie an Medikamenten, die sie als „bessere Neuheiten“ anpreisen, die aber therapeutisch wenig Sinn machen. Es handelt sich oft um Arzneimittel für wichtige Krankheiten, wie Bluthochdruck, Diabetes, Herzkrankheiten etc. Die Medikamente sind in der Regel keine wirklichen Neuheiten, sondern geringfügige Molekülveränderungen, also Varianten ohne besonderen Stellenwert. Allerdings sind sie als „Neuentwicklungen“ natürlich um ein Vielfaches teurer als die altbewährten Mittel. Diese werden nämlich nach Ablauf des Patentschutzes von den Nachahmer-Firmen wie z.B. „Ratiopharm“ deutlich günstiger hergestellt, wobei natürlich auch die großen Firmen inzwischen allesamt Tochterfirmen unter den Nachahmern besitzen.

Die neuen, teureren Medikamente werden jetzt mit großem Werbeaufwand auf den Markt gebracht, oft mit irreführenden Inhalten, indem irgendwelche angeblichen Vorteile gegenüber den gängigen Präparaten postuliert werden.

Und nun kommen auch die „Mietmäuler“ ins Spiel. Ihre Kliniken bekommen die neuen Medikamente günstiger bis umsonst. Gerüchten zufolge soll es auch nach andere Vergünstigungen geben. Jetzt verordnen diese Spezialisten die neuen Medikamente an die Patienten, natürlich nicht ohne die angeblichen Vorteile gegenüber den alten herauszustellen.

Die nachfolgenden Hausärzte, die die Medikamente natürlich oft für einen längeren Zeitraum weiter verschreiben müssen, sind dann die Dummen. Im Nacken haben sie die engen Budgets für Arzneimittel, und vor Ihnen sitzt der Patient: „Na, Herr Doktor, der Chefarzt hat gesagt, das neue Medikament sei aber besser als mein altes! Sie wollen mir das wohl nicht verschreiben, weil es so teuer ist, oder?“ Dann kommen die end- und fruchtlosen Debatten, bei denen die Hausärzte (erstens haben sie in den Augen der Patienten natürlich nicht die Kompetenz der Spezialisten, und zweitens müssen die teuren Medikamente ja auch wohl besser sein) in die Defensive. Dann wird, oft auch angesichts voller Wartezimmer, zähneknirschend nachgegeben.

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