Steeb, Schäfer Ast

In den ersten Wochen meiner Tätigkeit als Assistenzarzt (1982) im Dannenberger Krankenhaus hatte ich einen Schmerzpatienten in Behandlung, bei dem ich die Ursache der Schmerzen noch nicht gefunden hatte. Er hatte starke Schmerzen. Als ich morgens mit der Stationsschwester bei ihm Visite machte, erklärte er freudestrahlend, dass seine Schmerzen viel geringer seien und dass er seit gestern keine Schmerzmittel mehr genommen habe. Ich war komplett erstaunt und konnte mir diesen Verlauf nicht erklären. Als ich draußen auf dem Flur der Stationsschwester meine Verwunderung mitteilte, sagte sie nur kurz: „Da hat seine Frau bestimmt bei Steeb angerufen.“ Auf meine Frage, was das denn zu bedeuten habe und wer das sei, sagte sie nur: „Den werden sie auch noch kennenlernen!“

Bauer Steeb wohnte im Ort Salderatzen in dem Anwesen, das jetzt als das „Herrenhaus Salderatzen“ bekannt ist. Er war ein „Fern-Wunderheiler“. Wenn ein Mensch krank war, riefen Angehörige ihn an und sagten ihm nur, in welchem Zimmer sich der Kranke befindet. Den Rest „erledigte“ Steeb.

Diese Art von „Behandlung“ habe ich in den folgenden Jahren auch in der ambulanten Praxis des Öfteren erlebt und kam dabei manchmal aus dem Staunen und Grübeln nicht heraus.

Ein anderes, beeindruckendes Beispiel aus der Rubrik „Mysteriöses jenseits der Schulmedizin“ erlebte ich anfangs der 90er Jahre: Ein Mann weit über 80 Jahre kam in die Sprechstunde mit einem „offenen Bein“. Die Wunde war jedoch an einer untypischen Stelle am Schienbein knapp unterhalb des Knies lokalisiert. Sie sah böse aus und mir war klar, dass sie kaum zuheilen würde. Das wollte der Patient auch gar nicht; er wollte nur eine homöopathische Behandlung wegen der Schmerzen. Er erzählte mir folgende Geschichte: Er sei als Junge vom Erntewagen gefallen und dabei sei das eisenbeschlagene Rad über sein Knie gerollt. Dabei hatte er sich einen offenen Bruch des Schienbeins zugezogen. Die Behandlung damals ohne Antibiotika war schwierig. Der Bruch heilte, aber die Wunde blieb. Seine Eltern gingen daraufhin zum „Schäfer Ast“ in Radbruch bei Lüneburg. Der war tatsächlich Schäfer und gleichzeitig ein bekannter Wunderheiler. Er riet den Eltern, jeden Tag einen frisch gefangenen, getöteten Frosch (!) nachts auf die Wunde zu legen. Tatsächlich heilte die Wunde relativ schnell ab. Der Schäfer prophezeite ihm, dass diese Wunde im hohen Alter wieder aufbrechen würde und dass sie keinesfalls mit Salben geschlossen werden dürfe, weil es ihm dann schlecht ergehen würde. Und tatsächlich lebte er mit dieser offenen Wunde noch eine lange Zeit. Schäfer Ast lebte und wirkte Anfang des 20. Jahrhunderts. Seine Heilmethode basierte u.a. auf einer Haaranalyse der Patienten. Er behandelte auch sehr erfolgreich Haustiere. Die Rezeptur seiner „Grünen Salbe“ verwende ich noch heute erfolgreich z.B. bei Windeldermatitis bei Kindern als wunderbare Alternative zu den gängigen Pilz- oder Zinksalben. Die Froschmethode jedoch habe ich nie ausprobiert.

Link zum Schäfer Ast

Auch heute noch „praktizieren“ im Wendland zahlreiche Heiler und- innen, oft mit erstaunlichen Erfolgen bei Gürtelrose und anderen Hautausschlägen. Aber nicht alle sind seriös (wie bei den Ärzten auch).

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