Die Anfänge

Meine ersten Erfahrungen mit der Medizin machte ich 1975 als Zivi beim Rettungsdienst des DRK in Lemgo/Lippe. Zuvor hatte ich 3 Monate Grundwehrdienst als „Panzergrenadier“ absolviert, die ich nach einer „Gewissensprüfung“ als anerkannter Kriegsdienstverweigerer hinter mir lassen konnte. Später habe ich reichlich Parallelen zwischen der Ausbildung beim „Bund“ und der Medizinerausbildung gesehen. „Befehl und Gehorsam“ heißt die Maxime dort, und auch hier ist es ähnlich. Professoren, die „Halbgötter in Weiß“, agieren ähnlich wie Militärs. Später, in der klinischen Ausbildung, kommen die am Besten voran, die ihren Chefs zu gefallen wissen. Abweichende Meinung oder sogar Handeln sind kontraproduktiv für die Karriere. So lernen die angehenden Ärzte von Anfang an, sich anzupassen. Außerdem üben sie sich noch in etwas anderem, elitärem: Die Kunst des Besserwissens und der Rechthaberei, bzw. wenn nicht, es keinesfalls zuzugeben. Das ist nicht verwunderlich, sind doch viele Medizinstudenten diejenigen mit einem Super-Abi und stammen oft aus Akademikerfamilien. Dies ist vielleicht auch ein Grund dafür, daß ich mich nie so recht wohl gefühlt habe in diesen elitären Kreisen, denn ich habe meine bäuerlichen Wurzeln nie ablegen können.

Eine rühmliche Ausnahme von diesem Medizinbetrieb machte in den 80er Jahren die Innere Abteilung des Dannenberger Kreiskrankenhauses. Chefarzt war damals Dr. Vogt, bekennender Atomkraftgegner und deshalb in ständigem Clinch mit seinem Arbeitgeber, dem Landkreis Lüchow-Dannenberg in personam OKD Poggendorf. Ich hatte das Glück, dort als Assistenzarzt arbeiten zu dürfen, nachdem ich eine Gesinnungsüberprüfung, natürlich ohne mein Wissen, erfolgreich überstanden hatte. Herr Vogt ließ mich nicht nur meine buntgefärbten Arzthosen sogar auf der Intensivstation tragen, ich konnte auch z.B. bei Krebspatienten zusätzlich zur „schulmedizinischen“ Therapie das antroposophische Mistelpräparat „ Iscador“ einsetzen. Er ließ mich auch einen Vortrag im Krankenhaus mit einem anthroposophischen Mediziner zum Thema „Krebs aus anthroposophischer Sicht“ organisieren. Alles Dinge, die in der heutigen, längst privatisierten Dannenberger Klinik unvorstellbar sind.

Nach 4 Monaten als Rettungssanitäter wechselte ich für 1 ½ Jahre in das Krankenhaus in Minden /Westf., wo ich ganz nebenbei die einjährige Ausbildung zum Krankenpflegehelfer absolvierte. Dadurch konnte ich dann während meines Studiums an der FU Berlin regelmäßig als sog. studentische Extrawache über viele Jahre auf der Intensivstation des Urbankrankenhauses arbeiten. Somit habe ich vor meiner Tätigkeit als Arzt reichlich Zeit und Gelegenheit gehabt, den Medizinbetrieb aus der Sicht eines „medizinischen Hilfsberuflers“ kennen zu lernen.

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