Eitrige Angina (Homöopathie 4)

Eine 50-jährige Patientin kommt mit einer Mandelentzündung in meine Sprechstunde. Sie hat Fieber, heftige Schluckbeschwerden und ist sehr schwach. Bei der Untersuchung kann sie nur mit Mühe den Mund öffnen. Ich sehe auf der linken Halsseite eine dunkelrote große Schwellung, die das Zäpfchen nach rechts verdrängt. Es handelt sich um einen sog. „Peritonsillarabszess“- eine nicht ungefährliche Eiteransammlung im lymphatischen Gewebe des Halses, die unbehandelt zu einer Sepsis („Blutvergiftung“) führen kann.

Ich erkläre ihr, dass ich hier mit einer homöopathischen Behandlung nichts machen kann und sie zu einem HNO-Arzt gehen muss, der diesen Abszess spaltet, um den Eiter abfließen zu lassen. Außerdem benötige sie Antibiotika.

Da ich ihr in der Vergangenheit schon öfter mit Kügelchen geholfen habe, mache ich ihr den Vorschlag, das Ganze homöopathisch zu begleiten.

Viele Symptome passen auf Lachesis, ein Schlangengift. Ich gebe ihr eine sehr hohe Potenz und fülle die Überweisung zum HNO-Arzt aus.

Ich bin noch am Schreiben, als sie mir sagt, sie habe das Gefühl, die Schmerzen seien weniger geworden. Ich denke an Placebo und antworte, dass ich mir das nicht vorstellen könne nach so kurzer Zeit. Dann sagt sie, sie könne besser sprechen und auch das Schlucken sei nicht mehr so schmerzhaft.

Das sind die seltenen Momente, in denen ich auch nach vielen Jahren immer noch eine Gänsehaut bekomme.

Ich schaue nochmal in ihren Rachen, sehe aber keine Veränderung - wie auch nach 5 Minuten?

Ich gebe ihr den Rat, nach Behandlung durch den HNO-Arzt eine Auflösung der Kügelchen halbstündlich weiter einzunehmen.

Am nächsten Morgen ruft sie mich an und sagt, sie habe praktisch keine Schmerzen mehr. Und: beim HNO-Arzt sei sie nicht gewesen!

Ich bestelle sie ein, schaue in ihren Rachen und sehe zwar noch eine Entzündung, aber die große Schwellung ist komplett verschwunden! Ich kann mir nicht vorstellen, wie eine solche Menge an Eiter so schnell einfach verschwinden kann, aber ich sehe nichts mehr!

Sie nimmt die Auflösung noch einige Tage weiter und hat seitdem nie wieder eine Mandelentzündung gehabt. Auch Antibiotika hat sie nicht eingenommen.

Eine solche Heilung ist leider sehr, sehr selten. Es ist mir sogar 2 Mal passiert, dass eine von mir homöopathisch behandelte Angina vom HNO-Arzt gespalten werden musste. Als er den Abszess sah, fragte er: „Na, Sie kommen wohl von Herrn Waltke, oder?“ Ziemlich unangenehm, aber es ist jedes Mal gutgegangen und die Patienten haben es mir nicht übel genommen.

Aber immer wieder erlebte ich, welche Kraft in diesen kleinen Milchzuckerkügelchen steckt, in denen ja "nichts drin ist".

Ich habe diese Geschichte von der Wunderheilung auch schulmedizinischen Kollegen erzählt und erntete wie gewohnt wohlwollendes Mitleid.

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